El Caldo versucht, das sichtbar zu machen, was es uns erlaubt vereint zu sein, während wir voneinander getrennt sind. Reisen über den Ozean, Auflösung von Gemeinschaften, (selbst)auferlegte Diaspora. Auf der einen oder anderen Seite des Ozeans oder inmitten der Meere wussten die Menschen, wie sie die Kommunikation und den Kontakt aufrechterhalten konnten, durch Wellen, Sporen, Wind, Telepathie…, mit dem Ziel zu überleben. Die Toten waren Teil dieses Netzwerks der Kommunikation, sie warnten die Menschen vor der Gefahr, die ihnen auflauert, vor dem nahenden Abgrund; man lernte voneinander, dass die Zeit nicht linear verläuft, dass das Ende nicht erst kommt, sondern bereits da ist. Die Menschen müssen nicht unbedingt am gleichen Ort und zur gleichen Zeit zusammenkommen, um zu einer bedeutsamen Kraft zu werden.
Als wir diesen Programmtext im Januar 2020 schrieben, wie konnten wir da ahnen, dass die Welt diese Gedankenspiele so wörtlich umsetzen würde. Wir überlegten zu dem Zeitpunkt, wie wir trotz räumlicher Entfernungen einander unterstützen können, und dann kam Covid mit all seinen massiven Auswirkungen, mit der Zunahme von Gewalt, mit aggressiver Abgrenzung, mit der wachsenden Zahl von Toten, die unsere Wahrnehmung neu bestimmten… Jetzt ist das Arbeiten auf Distanz und die Abwesenheit der anderen nicht mehr nur eine Ahnung oder ein Konzept, es ist die „neue Normalität“.
Einige der eingeladenen Künstler*innen werden nicht nach Europa kommen, weil Europa das unmöglich gemacht hat. Andere haben darauf bestanden, trotzdem zu kommen. Einige waren in Europa und haben dennoch beschlossen, sich nicht zu nähern. Und einige kommen nicht, weil sie es einfach nicht wollen. Wir mussten unsere Mittel nutzen und unseren Unmut darüber, dass wir nicht reisen und einander persönlich begegnen können überwinden. Wir mussten neue Wege finden, die es uns ermöglichen, die künstlerischen Arbeiten über die Entfernungen hinweg zu teilen und zu erleben, egal ob es sich um zwei Meter oder Tausende von Kilometern Abstand handelt… Wir haben unser Gehör verfeinert, um die verschiedenen Abwesenheiten wahrzunehmen.
Von Anfang an war El Caldo als Ort gedacht, an dem Zeit und Raum zur Verfügung stehen, als Angebot eine, zwei oder vier Wochen zu kommen und kreativ zu arbeiten, wobei die Gessnerallee eine Art Hafen sein soll, in dem sich Sprachen und Geschichten von Reisen und des Nichtankommens mischen. Als wir dann entschieden – oder entscheiden mussten – uns nicht mehr fortzubewegen, blieb das Angebot von Zeit bestehen, nur die Räume wurden vielfältig. Papudo, Paris, Lissabon, Melcocho, San Isidro, Medellín, Berlin, Cros Bas, Cali, Užice, Novita, Zürich, … wurden zu den Orten, an denen Künstler*innen die Zeit fanden, eine bestimmte Frage aufzuwerfen oder eine Arbeit in eine bestimmte Richtung weiterzuentwickeln.
El Caldo ist der Ort, an dem wir mit eigenen Ohren hören und am eigenen Leib erfahren können, was auf diese Weise geschaffen wurde. Keine der Zutaten der Suppe wird einzeln serviert, alle Arbeiten werden gleichzeitig ausgestellt, sodass wir die zwischen ihnen entstehenden Schwingungen wahrnehmen und die Säfte, die im gemeinsamen Sud miteinander verschmelzen, schmecken können. Die Bouillon wird an zwei Orten gleichzeitig serviert: in einem Online-Raum und in den Räumen der Gessnerallee. Sie sind herzlich eingeladen, diesem Erlebnis ganz nach Ihren Bedürfnissen und Möglichkeiten beizuwohnen.
Mit: Jota Mombaça, Iki Yos Piña Narváez, Slim Soledad LAB Junges Theater Zürich, Loup Rivière, Other Planes of There, Myriam Lefkowitz, Simon Rippol-Hurrier, MPA, Doña Ola, Camila Marambio, Ariel Bustamante, Barbara Saavedra, Carolina Mendonça, Noís Radio…
Das detaillierte Programm folgt. Der Vorverkauf startet später.