Durch eine europäische Stadt laufen.
In einem kleinen Café sitzen, in einem Käseladen ein Stück Käse kaufen, vorbei an einem See, einem Nationalmuseum, einem staatlichen Theater laufen, durch den Garten mit Blumen und Kaninchen, und schliesslich den eigenen Namen im Programm eines kleinen Theaters lesen.
Durch eine europäische Stadt laufen. In einem kleinen Café sitzen, in einem Käseladen ein Stück Käse kaufen, vorbei an einem See, einem Nationalmuseum, einem staatlichen Theater laufen, durch den Garten mit Blumen und Kaninchen, und schliesslich den eigenen Namen im Programm eines kleinen Theaters lesen. Ein Teil der internationalen Künstler*innengemeinschaft sein. Mit leichtem Gepäck reisen und überall Freunde haben. Einen Masterstudium absolvieren. Im Anschluss an der Königlichen Akademie promovieren, denn in Europa gibt es noch Könige und Königinnen.
Deine Identität von Institutionen einfordern. Sich schütteln, wenn sie nicht wissen, wie man Partys veranstaltet.
Auflachen, wenn sie vorgeben, die Gegend zu kennen, aus der du kommst, weil sie schon mal im Urlaub dort waren.
Höflich sein, wenn sie glauben, sie würden die Komplexität deines Hintergrunds verstehen. Sie respektieren, weil sie sich bemühen. Begreifen, dass die Redewendung kommen aus keine Ankunft miteinschliesst. Sich daher in ständiger Schwebe in Zeit und Raum befinden. Verweilen, dazwischen, immer. Ein Zustand, der frei gewählt ist und auferlegt zugleich.
Die Wurzeln – die ganze Zeit darüber reden.
Deinen Körper und deine Anwesenheit zu einem Platzhalter für die institutionellen Gleichstellungsspiele machen. Sich der eigenen Schwäche bewusst sein. Erschöpft sein. Undankbar sein. Hier sein, im wirtschaftlichen Zentrum der Kultur,
und gleichzeitig dort, wo man herkommt, wo die Menschen wie Fliegen sterben, weil das Gesundheitssystem am Zusammenbrechen ist.
Sich auf den Untergang vorbereiten, während einem ein neuer Körperteil wächst – eine Gliedmasse zum Trauern.
Abwesenheit nicht als theoretisches Konzept oder Idee verstehen, sondern als wesentlichen Bestandteil des Lebens.
Wut spüren, die in der Mundhöhle knackt und knirscht und die Zunge taub macht, wie die künstlichen Brausebonbons, die Kinder zum Spass kauen.
Nicht nur, dass man abwesend ist, sondern nach und nach wird man eine/r von denen, die in radikalerer Weise abwesend sind.
Sie sterben. Sie verschwinden. Sie werden verrückt. Sie lassen die Dinge hinter sich.
Ihnen hinterherräumen. Ohne Mut, Disziplin, Ehrgeiz. Kein Ruhm. Kein Erfolg. Einsamkeit stattdessen. Verborgenheit. Schwäche. Nachlässigkeit. Unbeherrschtheit. Schwerfälligkeit.
‚Die Ausdauer von Landstreichern haben, die mit leichtem Gepäck reisen und Dinge einfach wegwerfen, so wie ein Hund sich das Wasser aus dem Fell schüttelt.‘ (Fanny Howe)
Die gelegentlichen Momente von Klarheit erleben, etwa wie die Schläfer*in, der mitten in der Nacht aufwacht und sich an den ganzen Traum erinnert, sich dann aber auf die andere Seite dreht, bereit, alles zu vergessen. Auf die andere Seite fallen. Hinabsinken. Zusehen und mittendrin sein im Riss, sich öffnen. Schauen, ob etwas aus dem Riss herauskommt. Eine Hand? Ein Auge? Ein Hinterteil? Ein Ohr? Ein kalter Atem? Ein Wimmern?
Plötzlich kippt die schwarze Linie auf dem Bildschirm nach links und die schwarze digitale Tinte ..ergiesst sich.. über die Seite. Der schwarze Fleck pulsiert, wie die Galle, oder der Magen einer trächtigen Katze, blinzelt, wie das glänzende Auge einer Elster. Die Wörter und Formen werden sichtbar und beginnen murmelnd über den Bildschirm zu schweben.
Hörst du das Quietschen meiner Schlafzimmertür, das der Luftzug verursacht? Oder das Rascheln der Blätter draussen? Höre ich dein Seufzen über das Wasser hinweg?
Hier, unten. Am trüben Flussgrund, am Waldrand, mit Blindschleichen durch das Gras kriechend, über und unter den Gräbern, Pflastersteinen, Türstufen.
(Ich weiss nicht, wie wir einander dort finden werden, aber so werden wir uns begegnen.)
– Tamara Antonijevic