Die weltweite Pandemie stellt Kulturbetriebe seit bald einem Jahr vor ungeahnte Herausforderungen. In Bezug auf Veranstalter*innen der darstellenden Künste betrifft dies verschiedene Sphären. Zum einen möchten wir unseren Auftrag als Kulturveranstalter*innen weiterhin erfüllen; gerade jetzt, wo so viel Unsicherheit und Verunsicherung herrscht, ist es wichtiger denn je, gemeinschaftliche Erfahrungen zu machen, zum Denken angeregt zu werden, Zerstreuung zu finden und Neues kennenzulernen. Doch natürlich möchten wir unser Publikum auch so wenig wie möglich gefährden. Das Wissen um die Notwendigkeit der maximalen Einschränkung persönlicher Kontakte läuft unserem Bedürfnis zuwider, Begegnungen zu ermöglichen und Horizonte zu erweitern. So schwanken wir fast täglich zwischen der Hoffnung, die Tore der Gessnerallee bald wieder öffnen zu können und der Befürchtung, dass dies wie zuletzt im vergangenen Sommer zu früh geschehen wird. Und dennoch wollten und wollen wir natürlich auch in dieser Zeit der Unmöglichkeit des Zusammenkommens weiterhin Kultur veranstalten und zugänglich machen.
Die Gessnerallee unter der neuen Leitung hat im September 2020, nach 1,5 Jahren Vorbereitung, das erste Mal das Haus für ihr Publikum geöffnet. Wenn auch angepasst an die Corona- Schutzkonzepte, konnten wir das bestehende, der Gessnerallee vertraute Publikum begrüssen, aber auch viele neue Gesichter, die sich durch das veränderte Programm, neue künstlerische Positionen und durch die Ansprache konkreter Communities eingeladen gefühlt haben. Mit den wachsenden Auflagen zur Veranstaltungsdurchführung, die im Laufe des Oktobers und Novembers hinzukamen, bis hin zur tatsächlichen Schliessung der Theater im Dezember wurden einerseits die Zuschauer*innenzahl kleiner, Gastspiele abgesagt, viele Formate wurden adaptiert und Zusammenkünfte, die wir im Programmbereich Community initiieren wollten, leider unmöglich. Viele Ideen und Vorhaben, die wir im Zuge der Neuausrichtung der Gessnerallee in Bezug auf das Publikum versuchen wollten, sind für diese Spielzeit in den Hintergrund gerückt: Wie schaffen wir Begegnungen zwischen Personen der Zürcher Stadtgesellschaft, die sich für gesellschaftlich relevante Fragen einsetzen und Künstler*innen, die sich auf anderen Wegen mit den gleichen Fragen beschäftigen? Wie kann die Gessnerallee ein Ort werden für Kunstformen und – praxen die in den gängigen Kunstinstitutionen und -ausbildungsstätten nicht gezeigt werden, die aber ein grosses Publikum haben und von Personen praktiziert werden, die sich selbst Künstler*innen verstehen? Und wie binden wir Fragen der Zugänglichkeit und Inklusion so früh wie möglich in die Produktionsprozesse der Hauskünstler*innen ein, wie auch in die Kommunikationsarbeit der Gessnerallee?
Das Interesse der Begegnung mit dem Publikum im physischen Raum ist natürlich eine der Hauptmotivationen darstellender Künstler*innen für ihre Arbeit. Im Gespräch mit den am Haus produzierenden Gruppen und Künstler*innen, stiessen wir auf grosses Interesse, viele Ideen und unterschiedlichste Fähigkeiten, sich der Herausforderung zu stellen, ihre Kunst aus dem physischen Raum zu transformieren. Zu regulären Live-Streams von Vorstellungen kamen Zoom- und Telegram-Theater, Texte, Hörstücke, Podcasts und so weiter.
Das Programm der Gessnerallee wurde immer weiter in den digitalen Raum verlagert, wo sich Publikum und Künstler*innen sicher begegnen können, egal zu welcher Zeit und egal von welchem Ort. Die Kunstwerke wurden von anfänglichen “Ersatzangeboten” zu eigenständigen Arbeiten, die ihren eigenen Raum einforderten. Die Gessnerallee kam sozusagen unverhofft zu einem weiteren Bühnenraum; die Halle, der Nordflügel und die Südbühne wurden ergänzt um einen digitalen Raum: “Gessi Digital”.
Sobald das Veranstaltungsverbot aufgehoben wird, informieren wir euch hier wieder über die Schutzmassnahmen.