Gessnerallee
Zürich

Anwendung und Zuwendung, oder: nützliche Kunst?

/ Der Performance-Effekt vol.2

Joy Kristin Kalu & Daniel Hauser

Die Gesprächsreihe zu Grenzauflösungen und -überlagerungen zwischen Theater, Choreographie, Performance und visueller Kunst geht in die zweite Runde mit neuen Gästen und neuen Themen.

Anwendung und Zuwendung, oder nützliche Kunst?

Im Dialog: Joy Kristin Kalu, Theaterwissenschaftlerin und freie Kuratorin (Berlin) & Daniel Hauser, Künstler und Dozent/F+F (Zürich)

Kunst wird immer wertvoller. Wertvoller nicht zuletzt dank ihrer Verknüpfung mit immateriellen Gütern wie Affekten, Verantwortung, Fürsorge, Kreativität oder Aufmerksamkeit. Wenn Künste mit der Alltagsgesellschaft interagieren, ergibt sich angesichts sozialer, politischer und wirtschaftsökonomischer Anwendungen ein erweiterter Kunstbegriff. Das Ästhetische interveniert in das Leben und sein Wert misst sich am Versprechen einer Nützlichkeit, die Fragen aufwirft. Wenn engagierte Kunst den Platz der unterfinanzierten Sozialarbeit einnimmt oder künstlerische Praxis therapeutische Strategien anwendet (Social Applied Arts), folgen daraus alternative Formen sozialer Vermittlung oder eine Umwertung öffentlicher Förderung? Die Mehr-Wertschöpfung der Künste ist auch Zeichen ihrer Kommodifizierung, etwa wenn künstlerische Prozesse in/direkt mit ökonomischen Werten verbunden werden, Stichwort: Kreativwirtschaft. Welche Ambivalenz von Geben und Nehmen vertragen die aktuellen Künste und wie steht es um die künstlerische Autonomie zwischen sozialem Engagement, Förderpolitik und Instrumentalisierung?

Joy Kristin Kalu (Berlin) 
Die Theaterwissenschaftlerin und Amerikanistin studierte und promovierte an der Freien Universität Berlin und setzte sich in ihrer Dissertation «Ästhetik der Wiederholung» mit Theorien der Wiederholung sowie mit Wiederholungsstrategien in bildender Kunst, Performance und Theater der US-amerikanischen Neo-Avantgarde auseinander. Anknüpfend an ihre Beschäftigung mit psychoanalytischen Wiederholungskonzepten widmet sie sich gegenwärtig unter dem Arbeitstitel "Inszenierungen der Therapie in psychologischer und künstlerischer Praxis" den Phänomenen des Reenactments und der Übertragung. Theatrale Verfahren in Therapieformen wie dem Psychodrama und der Dramatherapie sind hier für sie ebenso von Interesse wie die Anwendung und Darstellung von therapeutischen Verfahren in Theater, Kunst und Populärkultur. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen die Ästhetik des angewandten Theaters, die Geschichte der Performance-Kunst, Critical Whiteness Studies, Intermedialität und die Ästhetik des zeitgenössischen experimentellen Theaters in Deutschland und den USA. Neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit ist sie theaterpraktisch und kuratorisch tätig und hat u.a. am Thalia Theater in Hamburg, der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, der Actors’ Gang in Los Angeles, bei der New Yorker Wooster Group sowie an den Kunst-Werken – Institute for Contemporary Art in Berlin gearbeitet. Gemeinsam mit Dennis Loesch und anderen bildenden Künstlern initiierte sie 2007 das Küchen- und Ausstellungsprojekt freitagsküche berlin. Seit 2014 betreibt sie mit Stephanie Keitz und RP Kahl das Ausstellungsprojekt Neue Heimat Berlin. 
http://applied-theatre.org/de/persons/joy-kristin-kalu

Daniel Hauser (Zürich)
Daniel Hauser ist Mitglied der Künstler_innengruppe RELAX (chiarenza & hauser & co), die Claims formuliert hat wie alleine denken ist kriminell, artists are no flags, je suis une femme pourquoi pas vous?, you pay but you don't agree with the price. Zugleich ist er Leiter des Studiengangs Kunst an der F+F Schule für Kunst und Design in Zürich. Beginn der Zusammenarbeit mit Marie-Antoinette Chiarenza 1983 in Paris. Das „& co‘‘ von RELAX verweist auf mögliche Zusammenarbeits- formen mit Leuten. Die künstlerische Arbeit von RELAX hat oft zu tun mit Wertfragen und Fragen der Inwertsetzung. Diese beziehen sich häufig auf Geschichten von Leuten mit Fragen dazu, was gemeinsam geteilt wird oder eben auch nicht. Es geht auch um die Herstellung von Qualität. Diese ist weder gut noch schlecht. Dafür spielen Intensität, Dichte, Härte und das Weiche eine wesentliche Rolle. Qualität heisst unter Umständen auch, Gedächtnisverlust nicht einfach zuzulassen. RELAX verstehen ihre Rollen als Künstler_innen immer wieder anders, je nach dem was gerade vorliegt und ob sie sich beispielsweise gerade mit Reichtum, Vetrieb, Fabrikation, Abmachungen, Verträgen, vertragslosen Situationen, Entwertung und Neubewertung beschäftigen. Für sie sind Räume nie neutral. Wenn an Ideen gearbeitet wird, die als Teil irgendeiner Sache öffentlich werden, so stellen sie sich auch Fragen wie: wo findet etwas statt? Wer wird mit etwas adressiert? Von wem wird etwas organisiert und finanziert? Sollen nicht besser sie selbst sich damit beauftragen? Und: soll etwas, das bald freigesetzt werden soll, überhaupt angekündigt werden oder besser doch nicht?
Kommende Ausstellung mit RELAX: WHO PAYS?, Kunstmuseum Liechtenstein, 10. Februar - 21. Mai 2017
http://www.relax-studios.ch/

©JoyKristinKalu + © DanielHauser
Januar
10 Di Studio 2
19.00